Entwurmen in der Kleintierpraxis – wo ist der Wurm drin?

Entwurmen in der Kleintierpraxis – wo ist der Wurm drin?

Die Fachzeitung VETimpulse veröffentlichte einen Artikel, in dem die Entwurmungsrichtlinien der Expertenkommission ESCCAP von zwei Universitätsprofessoren, davon ein Parasitologe, deutlich kritisiert werden. In vielen Praxen würde Entwurmung nach „Schema F“ betrieben.

Ruhmservice Consulting fragt: Wo ist jetzt der Wurm drin?

Auf der ersten und zweiten Seite der VETimpulse (Ausgabe Nr. 6, vom 15. März 2014) findet sich der Artikel „Auf dem Prüfstand: Entwurmen in der Kleintierpraxis (Werbung im Mantel der Fachinformation?)”.

Prof. Kurt Pfister (Parasitologe der LMU München und Prof. Ingo Nolte (Klinik für Kleintiere, Tiho Hannover) stellen eine Reihe kritischer Fragen zu den Entwurmungsrichtlinien der ESCCAP. Das Entwurmungsschema, das eine individuelle Risikobewertung berücksichtigt, wird eindeutig kritisiert. Es würde Werbung im Mantel der Fachinformation gekleidet, so der Vorwurf. Eine pauschale, viermal jährliche Entwurmung sei veterinärmedizinisch nicht angemessen.

Zusätzlich werden die veterinärmedizinische Seriosität und berufliche Ethik und Verantwortung hinterfragt. Außerdem bestünde die Gefahr, Hunde als verwurmte Parasitenschleudern in die Köpfe der Halter zu implantieren.

Fazit und Empfehlung der Professoren:

Vor einer Entwurmung sollte stets eine koprologische Untersuchung vorauszugehen. Ausnahme: Das Tier ist nachweislich einer Dauerkontamination ausgesetzt.

In dem Artikel werden aber auch andere Fragen aufgeworfen:

Wie realistisch sind diese Forderungen in der Praxis tatsächlich? Diese würden nämlich voraussetzen, dass Tierhalter alle drei Monate eine Kotprobe (von drei aufeinanderfolgenden Tagen) entnehmen und in ihrer Tierarztpraxis untersuchen lassen. Bei der Durchsicht des Artikels hat mich persönlich zunächst die Fragevbeschäftigt: „Warum ausgerechnet jetzt diese Kritik?“ ESCCAP verwendet die Entwurmungsrichtlinien ja nicht erst seit kurzer Zeit, sondern seit Jahren.

In dem ESCCAP-Entwurmungsschema wird mehrfach auf die Alternative der Kotuntersuchung zu der individuell empfohlenen Entwurmungsfrequenz hingewiesen. Der Vorwurf der unnötigen Pauschalentwurmung ist somit ohnehin nicht nachvollziehbar.

ESCCAP-SCHEMA.003

Hinweis auf Kotuntersuchungen in den ESCCAP Entwurmungsempfehlungen

Wir haben in der Vergangenheit die ESCCAP-Informationen für Tierhalter im Rahmen unserer Praxisberatungen gerne empfohlen und werden diese auch künftig empfehlen. Eines wird in dem Artikel nämlich nicht berücksichtigt: Die Compliance der Tierhalter!

Im Rahmen des von Ruhmservice entwickelten VetComPot® Checks zur Compliance und Therapietreue, wird der tatsächliche Erfüllungsgrad wichtiger Leistungen untersucht. Erkenntnis aus zahlreichen Checks: In der Praxis werden die Hunde ohnehin nur zwischen 1,3- und 2,5-mal jährlich entwurmt! Somit liegt die Entwurmungshäufigkeit deutlich unter der für viele Hunde empfohlenen quartalsmäßigen Entwurmung. Die Präpatenz beschreibt bei der Infektion durch einen Parasiten (z.B. eines Spulwurmes) die Zeitdauer von der Aufnahme der infektiösen Parasiten-Stadien bis zum Auftreten von ersten Geschlechtsprodukten, z.B. im untersuchten Kot. Genau diese Präpatenz kann somit auch eine Schwachstelle bei der Kotuntersuchung sein.

So ist, meiner Meinung nach, der im Artikel erhobene Vorwurf des Entwurmungsschemas (nach Schema F) auf der anderen Seite die absolute Stärke. Denn wie schlecht Tierhalter in der Praxis über wichtige Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge informiert sind, zeigt sich immer wieder. Daher ist ein eindeutiges und verständliches Schema, das die individuelle Risikolage des Tieres berücksichtigt ganz sicher besser als kein Schema und wenig Information.

Um Tierhalter umfassend und konsequent zu informieren, fehlt in der Praxis häufig die notwendige Zeit. Selbst wenn diese vorhanden ist, hapert es oft mit der konsequenten Abrechnung für eine umfassende Beratung. Was viele dabei vergessen: Wie alle Dienstleister tauscht der Tierarzt Zeit gegen Geld!

Die Antworten der Tierhalter bei der Frage nach der optimalen Entwurmungshäufigkeit im folgenden ESCCAP-Video sind daher – auch nach unserer Erfahrung – absolut typisch:

 

Ihr Tier richtig Entwurmen! from ESCCAP on Vimeo.

Tipp: Besprechen Sie gemeinsam mit Ihrem Praxisteam wer, wann, welche Informationen zu dem wichtigen Thema Parasitenprophylaxe kommunizieren kann. Wertvolle Hinweise für eine sinnvolle Parasitenprophylaxe und Materialien zur Abgabe an den Tierhalter finden Sie dazu unter www.esccap.de

Vets get up!

Raphael Witte

P.S. Das European Scientific Counsel Companion Animal Parasites (ESCCAP) ist eine in Großbritannien eingetragene Vereinigung. Sie wurde im Jahr 2006 von acht europäischen Veterinärparasitologen gegründet. Inzwischen sind 13 europäische Länder bei ESCCAP vertreten. Die Mitglieder von ESCCAP rotieren laut Satzung regelmäßig, so dass alle sechs Jahre eine komplette Neubesetzung stattfindet. Ein externes Kuratorium aus Treuhändern (Trustees) überwacht die Arbeit von ESCCAP und stellt die Gemeinnützigkeit sämtlicher ESCCAP-Aktivitäten sicher.


Raphael M. Witte

Raphael M. Witte, der Mann mit einem Haufen Buchstaben im Namen und 24 Jahren Erfahrung in der Tiermedizin. Als Veterinary Business Consultant und Kopf von RUHMservice® Consulting, betreut er nicht nur Tierarztpraxen und Tierkliniken, sondern entwickelt auch die Strategien von internationalen Industrieunternehmen und allen, die sonst in der Tiermedizin tätig sind. Der "RUHMservice-Shop" –ist der "One-Stop-Shop" für alles, was das veterinärmedizinische Management und Marketing angeht! Wir haben mehr Tools als ein Schweizer Taschenmesser und mehr Ideen als ein durchschnittlicher Labrador. Egal, ob Sie in Deutschland, Österreich, Luxemburg oder der Schweiz sind, wir haben über 400 verschiedene Tools, die Ihre Praxis oder Klinik auf das nächste Level bringen. Ach ja: Wenn Raphael nicht gerade dabei ist, die Tierarztwelt umzukrempeln, dann verbringt er seine Freizeit draußen in der Natur. Wandern oder Longboard fahren sind seine Mittel zur Entspannung. Seine Freunde behaupten, er sei nur schwer von der Arbeit loszueisen. Aber wer glaubt schon seinen Freunden? Aber hey, wenn Sie jemanden suchen, der Ihrer Tierarztpraxis oder Tierklinik den nötigen Kick verpasst, dann ist Raphael Witte Ihr Mann. ;-)

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