Stets liquide? So berechnen Sie den erforderlichen Umsatz und Gewinn Ihrer Praxis!
Trotz hohem Wettbewerbsdruck ist für viele Tierärzte der Wechsel aus einer abhängigen Beschäftigung in die Selbstständigkeit ein attraktives Ziel.
Doch nicht nur wer die Eröffnung der eigenen Tierarztpraxis plant, um seine Arbeitskraft künftig als selbstständiger Tierarzt zu vermarkten, auch „alte Hasen“ fragen sich oft, wie hoch Umsatz und Gewinn der eigenen Tierarztpraxis ausfallen müssen um adäquat davon leben zu können. Sinnvollerweise orientieren Sie sich dabei am tatsächlichen (privaten) Einkommensbedarf. Doch wie hoch ist dieser wirklich?
Nehmen Sie sich bitte einen Moment Zeit. Nehmen wir an Sie haben Ihren Kittel ausgezogen und sitzen an Ihrem Wohnzimmertisch. Nun machen Sie eine Aufstellung über Ihre aktuellen privaten Lebenshaltungskosten.
Folgende Positionen gehören zu den privaten Kosten:
- Miete (bzw. Zinsen und Tilgung Ihrer Eigenheim-Hypothek)
- Wohn-Nebenkosten (Heizung, Wasser, Strom, laufende Reparaturen, Steuern für die Immobilie)
- private Kosten der Mobilität (privates Kfz, öffentliche Verkehrsmittel)
- private Versicherungen aller Art (Kranken-, Pflege- und Unfallversicherungen sowie die private Altersvorsorge),
- Lebens-, Genuss- und Pflegemittel, Haushaltszubehör
- Laufende Anschaffungen (Elektronik, Möbel, technische Geräte, Kleidung)
- private Dienstleistungen (Friseur, Handwerker, Haushaltshilfe)
- Aufwendungen für Kinder (Taschengeld, Schulbücher, Klassenfahrten)
- Telefon-, Online- und Mediengebühren (GEZ-Gebühren, Kabel-TV, Mobiltelefon, etc.)
- Reisen und Freizeit-Ausgaben (Kino, Theater, Restaurant- und Kneipenbesuch)
- Reserven für Unvorhergesehenes (z. B. Zahnersatz, neue Waschmaschine etc.)
Tipp: Nehmen Sie Ihre privaten Kontoauszüge eines Jahres zur Hand und übernehmen Sie die tatsächlichen Zahlen genau. Manche Zahlungen erfolgen monatlich, z. B. für das Sportstudio, manche quartalsweise oder jährlich. Auf diese Weise sind Sie sicher, dass Sie alle wichtigen Ausgaben erfassen.
Bedenken Sie dabei bitte auch, dass der private Kapitalbedarf in manchen Monaten höher ist als in anderen. Planen Sie dies beim Liquiditätsbedarf unbedingt ein, denn wenn Ihr Konto keine Deckung aufweist oder bereits deutlich überzogen ist, dann können solche Zahlungen eine echte Herausforderung bedeuten.
Am besten Sie erstellen eine Excel-Tabelle mit zwölf Spalten in der Sie alle Positionen von Januar bis Dezember genau erfassen und in der untersten Spalte die Summe bilden. Fügen Sie am Ende eine Spalte für die Jahressumme der einzelnen Positionen und den Mittelwert ein.
Wie viel Umsatz und Gewinn benötigt meine Tierarztpraxis?
Sie kennen nun Ihren privaten Finanzbedarf und damit Ihr Jahreseinkommen – nach Steuern! Nun geht es darum, anhand dieser Zahl den erforderlichen Gewinn vor Steuern und anschließend den benötigten Jahresumsatz und somit auch die Preise für Ihre Praxisleistungen zu kalkulieren.
Dazu kalkulieren Sie – ausgehend von den Lebenshaltungskosten – wie folgt:
Lebenshaltungskosten
+
Ausgaben für die Sozialversicherungen (Kranken-, Pflege-, Unfall-, Arbeitslosenversicherung und Altersvorsorge)
–
sonstige private Einnahmen (Partnereinkommen, Nebenjobs, Kindergeld, sonstige Zuschüsse, Renten etc.)
+
Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag (laut Steuertabelle Circa-Wert)
=
Erforderlicher Gewinn der Praxis vor Steuern („Brutto-Unternehmerlohn“)
+
Praxisausgaben ohne Medikamente oder Futter (laut Businessplan oder bereits existenten Ausgaben)
=
Erforderlicher Jahresumsatz
/
Absatz (fakturierbare Stundenzahl)
=
erforderlicher Honorarsatz je Stunde
Diese Kalkulation bezieht sich ausschließlich auf die tierärztliche Leistung. Sie sollte bei mind. 70, besser 80 Prozent des Gesamt-Jahresumsatzes der Praxis liegen. Berücksichtigen Sie bitte die aktuellen Überlegungen zum Wegfall des tierärztlichen Dispensierrechtes.
Die Umsätze aus dem Futter- und Medikamentenverkauf können natürlich ergänzend berechnet und berücksichtigt werden. Planen Sie den Jahresumsatz und berücksichtigen Sie eine konservative Marge von 25 bis 30 Prozent. Die Umsatzsteuer können Sie an dieser Stelle vernachlässigen: Die stellt langfristig einen „durchlaufenden Posten“ dar. Gewöhnen Sie sich an, stets mit Nettobeträgen zu kalkulieren. Berücksichtigen Sie dabei, dass das Geld auf Ihrem Praxiskonto nicht komplett Ihnen gehören wird. Für das Finanzamt kassieren Sie zwar die Umsatzsteuer, diese wird jedoch – nach Abzug der geleisteten Vorsteuer – wieder abgebucht. Berücksichtigen Sie dies bitte unbedingt bei Ihrer Liquiditätsplanung!
Fazit: Wer seinen aktuellen, privaten Finanzbedarf genau kennt, verfügt über eine wichtige Kennzahl für die strategische Planung von Umsatz und Gewinn der Tierarztpraxis. Kalkulieren Sie unbedingt frühzeitig und rechnen Sie erbrachte Leistungen bitte konsequent ab! Wer nur zehn Prozent aus mangelnder Organisation, oder weil er mit der Geldbörse seiner Kunden denkt nicht berechnet, der greift sich bei der typischen Gewinnmarge einer Tierarztpraxis tief in die eigene Tasche. Dann bleibt am Ende des Geldes regelmäßig zu viel Monat übrig.
Vets get up!
Raphael Witte